Ein Buch über das Leben und seine Überraschungen zu schreiben ist sicherlich nicht leicht. Wenn eine EMAH-Patientin den Leser an die ganz persönlichen Überraschungen ihres Lebens mit Herzfehler teilhaben lässt, dann kann dies nicht nur zu einer dramatischen, sondern in diesem Fall sogar zu einer sehr unterhaltsamen Story werden.

Im Gespräch mit JEMAH.e.V. ist Anke Trebing. Ihr Buch Herzfehler im Gepäck ist im online-Handel erschienen.

Sie hat uns bereits vorab und exklusiv einen Blick in ihr Buch werfen lassen. Im Interview mit der Autorin zeigt sich, dass ein Herzfehler nicht nur ein Gepäckstück sein kann.

Viel Spass beim Reinschaun!

JEMAH. Anke, was hat dich dazu bewogen bereits mit 25 Jahren eine Autobiografie zu schreiben?

Anke. Seit Dezember 2019 bin ich bei Instagram unterwegs und schreibe dort über mein Leben mit Herzfehler. Dort kann man leider nur begrenzt Texte hochladen. Meine erste Idee war also ein Blog. Irgendwann war ich mit der Idee nicht mehr zufrieden. Ich wollte meine komplette Geschichte in einem Rutsch erzählen und noch etwas für den guten Zweck machen. Da sich ein Blog nur über Werbung finanzieren lassen würde, kam diese Option als „Spenden sammeln“ für mich nicht in Frage. Ich wollte etwas machen, was man auch außerhalb von Internet lesen kann, vielleicht auch in der Klinik und so kam mir die Idee zum Buch.

JEMAH. Eine Idee ist das eine, die Verwirklichung ist ja dann immer nochmal was anderes. War es schwer dafür einen Verleger zu finden?

Anke. Ich habe mich bewusst gegen einen Verlag entschieden und alles selbst in die Hand genommen, da ich über die Gestaltung und das Marketing komplett selbst entscheiden wollte. Im Vorverkauf habe ich ein Verlagsangebot bekommen, was ich aber aus diesen Gründen abgelehnt habe. Das bedeutet, dass ich das komplette Buch inkl. Gestaltung und Druck selbst finanziert habe. Auf gut Glück….

JEMAH. Ein wichtiges Verkaufskriterium ist wie man den Leser anspricht. Du bist einen Schritt weiter gegangen und sprichst den Leser in deinem Buch sehr direkt in der „Du“-Form an?

Anke. Da es in meinem Buch um keine frei erfundene Geschichte geht, sondern um völlig reale Ereignisse und Gefühle, möchte ich meine Leser mit einbinden. Man soll sich in der Erzählung nicht außen vorfühlen und ich möchte auch oft zum Nachdenken anregen. Ich bin der Meinung, dass es in der Du-Form besser gelingt.

JEMAH. Wie bereits erwähnt benutzt in deinem Buch eine ziemliche Menge Ironie, um deine Probleme zu beschreiben. Wolltest du den Leser nicht mit der bitteren Wahrheit erschrecken, oder ist dies eine Lebenseinstellung von dir?

Anke. Das ist ganz einfach meine Lebenseinstellung.

 

JEMAH. Ich finde, das ist eine gute Lebenseinstellung. Stress und Angst hat man ja als EMAH-Patient oder als Eltern eines herzkranken Kindes ja genug. Dennoch sprichst du in deinem Buch ganz offen die Probleme von uns EMAH-Patienten im Kampf mit Kliniken und Behörden an. Gibt es in deinen Augen genug Angebote, um uns in dabei zu unterstützen? Wie empfindest du die Versorgung für EMAH-Patienten, die ja nicht mehr zum Kinderkardiologen dürfen?

Anke. Es gibt sehr viele Angebote, jedoch liegt das Problem oft nicht an der Antragstellung, sondern eher an der Bearbeitung. Oft werden wir meiner Meinung nach nicht von Fachärzten bzw. Fachpersonal beurteilt, sodass es dann häufig zu den genannten Hürden kommt.

Ich kann nur für mich sprechen, aber ich bin sehr zufrieden mit der Versorgung. In meiner Klinik gibt es drei EMAH-Spezialisten, sodass der Übergang für mich gar nicht zu merken war. Ich gehe immer noch in die gleiche Ambulanz und auf die gleiche Station wie vor meinem 18. Geburtstag.

JEMAH. Für viele EMAH-Patienten und vor allem -Patientinnen ist die Narbe ein eher miserables Erinnerungsstück an unangenehme Zeiten. Du beschreibst deine Narbe im Buch wie eine Art Trophäe. Wir von JEMAH.e.V. sehen das sehr ähnlich und haben daher auf unserer Webseite auch Patientenbilder mit Narbe dargestellt. Wie kann man einen derartig positiven Sichtwechsel auf den eigenen Körper hinkriegen? Hast du Tipps?

Anke. Im Grunde ist es so wie mit allem im Leben. Beispielsweise wird uns auch eingetrichtert, dass man mit Kleidergröße 38 zu dick ist, unter 1,65m zu klein, kurze Haare bei Frauen doof sind usw. Man muss sich selbst so akzeptieren, wie man ist und vor allem sollte man sich weder von angeblichen Schönheitsidealen blenden lassen, noch denken, dass es perfekte Menschen gibt.

Jeder hat irgendwas was er doof findet, aber das ist gerade bei Narben falsch. Ohne diese Narben würden viele von uns nicht mehr leben, inklusive mir. Sie ist meine Lebensrettung.

JEMAH. Was haben deine Eltern über ein so persönliches Buch gesagt und hast du es auch deine Ärzte/innen vorab mal lesen lassen?

Anke. Meine Eltern sind sehr stolz auf mich und unterstützen mich dabei und bei allem was ich noch vorhabe.
Meine Ärzte haben es noch nicht gelesen, aber schon bestellt. Ich bin gespannt.

JEMAH. Du erzählst in deinem Buch auch von deiner Beziehung zu deinen Eltern und wie wichtig sie für deine Entwicklung waren. Einmischungen von außen in diese Beziehung siehst du dabei eher kritisch. Ist das ein Thema, welches dem Pflegepersonal, den Ärzten aber vielleicht auch uns EMAH-Patienten deutlich bewusster gemacht werden muss?

Anke. Das Fachpersonal entscheidet natürlich nach Ausbildung und Erfahrung. Man darf nicht vergessen, dass gerade das Klinikpersonal nur das Beste rausholen möchte. Dennoch finde ich, dass viele Ärzte und auch das Pflegepersonal den Blickwinkel des Patienten oder der Angehörigen verlieren oder gar nicht erst kennenlernen. Ich würde mich freuen, wenn es in jeder Ausbildung und dem Studium eine Art Austausch mit Betroffenen als Pflichtveranstaltung geben würde. Ich denke, dass man so einiges optimieren kann.

JEMAH. Du hast in deinem Buch mehrere Kapitel mit „TOP TEN“, „TIPPS“ etc.. EMAH-Patienten kommt das recht bekannt vor. Sie dürften dies -wie ich- teils mit einem Schmunzeln, teils auch mit Herzklopfen lesen. An wen sind diese Kapitel gerichtet?

Anke. Diese Kapitel sind offen für alle. Einige werden sich darin wiederfinden, mir zustimmen oder auch nicht. Nicht Betroffenen soll es aufzeigen, dass alles gar nicht so „easy“ ist wie man es sich vielleicht vorstellt. Und man darf auch nicht vergessen, dass jeder Mensch plötzlich in eine ähnliche Situation geraten kann. Man sollte also diese Kapitel nicht einfach überfliegen und denken „Das betrifft mich sowieso nie.“

JEMAH. Dein Buch hat den Titel „Herzfehler im Gepäck“. Das klingt so als würde man ein Kleidungsstück, eben etwas sehr Vertrautes mit sich herumtragen. Auf der anderen Seite geht es in deinem Buch viel um Überraschungen, auf die du gerne verzichtet hättest. Ist ein Herzfehler also eher wie eine Zeitbombe, die im Koffer tickt?

Anke. Nein ist er nicht. Ich sehe meinen Herzfehler als eine Art Reise. Auf dieser Reise nehme ich immer mal wieder neue Dinge mit in meinen Koffer. So ähnlich, wie wenn man in einem Urlaub ein Magnet, eine Postkarte oder Sonstiges als Andenken mitnimmt.

JEMAH. Zum Schluss noch eine Frage, die den Leser natürlich brennend interessieren würde. Wie hast du dein Leben weiter geplant? Können wir auf ein zweites Buch „Hochzeit mit Herzfehler“ hoffen?

Anke. Ich plane mein Leben nicht so genau. Bisher habe ich alles erreicht was ich möchte. Ich habe ein Eigenheim, einen tollen Freund, einen großen Garten und zwei Kater. Damit bin ich sehr glücklich. Als nächstes Projekt plane ich einen eigenen kleinen Online Shop mit Kleinigkeiten. Dort wird es viele tolle Dinge mit Herzdesign geben. Jeder Artikel wird einem Verein, einer Klinik oder einer Station zugeordnet. Der Erlös wird dann gespendet.

Natürlich bin ich nicht abgeneigt noch ein weiteres Buch zu schreiben, wer weiß was ich noch erlebe. Derzeit arbeite ich zunächst an einem zweiten Buch, in dem es um das Thema Organspende geht. Dies wird allerdings eine frei erfundene Handlung sein.

JEMAH. Organspende ist auch für viele EMAHS ein wichtiges Thema. Ich hoffe du kannst auch hierbei viele witzige Zeilen bereithalten.

Das Interview mit Anke Trebing wurde online von Johannes Gräter durchgeführt.

Vielen Dank an die Autorin!