Ein internationales Treffen in Split

Am Donnerstag, 8. Mai, ging es für mich los zur Jahreshauptversammlung der ECHDO – der European Congenital Heart Disease Organisation (deutsch: Europäische Organisation für angeborene Herzfehler), die dieses Jahr in Split (Kroatien) stattfand. JEMAH e.V. ist als Verein Mitglied bei ECHDO, und ich hatte die Ehre, uns dort dieses Jahr vertreten zu dürfen. Bei ECHDO sind Eltern- und Patientenvereine aus ganz Europa vertreten. Dieses Jahr waren Vertreter aus  Bulgarien, Finnland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Malta, Norwegen, der Schweiz, Slovenien, der Slowakei, Spanien, dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Zypern mit dabei. Und natürlich aus Deutschland. Ich war nicht die einzige, die einen deutschen Verein vertreten hat, es waren auch zwei Leute für den BVHK dabei. Von Hamburg aus bin ich mit einem Direktflug nach Split geflogen. Die kroatische Stadt an der Adria begrüßte mich mit Wind und Sonne – talentierte Menschen können sich bei so einem Wetter einen Sonnenbrand und eine Erkältung in einem Rutsch einfangen. Ich habe beides erfolgreich vermeiden können. Da die Jahreshauptversammlung erst am Freitag Nachmittag begann, konnte ich Donnerstag erstmal in Ruhe ankommen. Am Abend habe ich mich mit Mitgliedern des Schweizer Vereins Cuore Matto getroffen und Split ein wenig erkundet. Auch am Freitag war vormittags noch etwas Zeit, die schöne Stadt an der Adria weiter kennenzulernen. Auf dem Weg zum Treffpunkt mit den Mitgliedern des schweizer Vereins bin ich an einem Markt vorbeigekommen, und statt der Hauptstraße drum herum zu folgen, bin ich spontan quer über den Markt geschlendert, um an mein Ziel zu kommen. Nun bin ich um 2 Paar handgemachte Ohrringe und ein nettes Gespräch mit einem älteren Kroaten reicher. Auch mit dem Wetter hatten wir weiterhin wahnsinnig großes Glück – Sonne und ein leichter Wind.

Vortrag: „Berlin-Heart“

Am Freitag um 15.00 Uhr begann die eigentliche ECHDO-Veranstaltung. Nach einem Empfang mit Getränken und Snacks wurden wir begrüßt und dann ging es auch schon los mit den Vorträgen. Als erstes berichtete Roxana Fronie als Mutter eines herzkranken Kindes von ihrer Tochter Agnes. Das kleine Mädchen entwickelte im Alter von ca. einem Jahr eine dilatative Kardiomyopatie. Das Herz war zu schwach um alleine den Körper zu versorgen, und so wurde sie an ein Berlin Heart angeschlossen – ein externes, künstliches Herz. Lange war nicht klar, ob Agnes ein Spenderherz brauchen würde, doch nach über einem Jahr hatte sich ihr Herz mit der Unterstützung und Entlastung durch das Berlin Heart soweit erholt, dass ihr Herz operiert werden konnte. Die PAB-Operationsmethode (Pulmonary-Artery-Binding) sorgte dann entgülig dafür, dass das kleine Mädchen das Krankenhaus endlich verlassen konnte. Die Explantation des Berlin Heart ist mittlerweile vier Jahre her und Agnes geht es heute gut. Sie lebt seitdem ein erfülltes Kinderleben und ihr Herz wird weiter regelmäßig kontrolliert. Wir wünschen Agnes und ihrer Familie alles Gute!

Vortrag: „Die Lücke überbrücken: Kinderkardiologische Operationsmissionen oder Assistenz zur Selbsthilfe in Osteuropa“

Der zweite Vortrag war „Bridging the Gap: Pediatric Cardiac Surgery Mission or Self-Help Assistence in Eastern Europe“ (Die Lücke überbrücken: Kinderkardiologische Operationsmissionen oder Assistenz zur Selbsthilfe in Osteuropa) von Prof. Dr. Daniel Dürr, Leiter der Kinderherzchirurgie der Universitätsmedizin Mainz. Herr Prof. Dr. Dürr war dafür online zugeschaltet. Hierbei ging es darum, Kinder mit angeborenen Herzfehlern in osteuropäischen Ländern kardiologisch zu versorgen. Herr Prof. Dr. Dürr stellte verschiedene Wege vor, die zur Lösung des Problems beitragen. Kurzfristig hilft es den jungen Patienten, wenn Ärzte auf medizinischer Mission für eine kurze Zeit (ca. 1 – 2 Wochen) in das Land kommen und Operationen durchführen, die die akuten Probleme erst einmal beheben. Für eine langfristige (Weiter-)Versorgung der Kinder sind langfristig angesetzte Lösungen wichtig: diese Partnerprogramme mit Entwicklungsländern dauern 5 – 10 Jahre, die Qualitätsskennzeichen für ein erfolreiches langfristiges Programm sind Bildung, Ausbildung, Ergebnisverbesserung, Qualitätskontrolle und langfristige Beständigkeit, so dass die Patienten in ihren Heimatländern langfristig gut behandelt und betreut werden können.

Weitere Vorträge für Eltern herzkranker Kinder

Als nächstes hörten wie einen Vortrag von Andri Christoudia aus Zypern. Sie hat selbst einen angeborenen Herzfehler und ist Psychologin und systemische Psychotherapeutin. In ihrem Vortrag ging es darum, Eltern dazu zu ermächtigen, für sich zu sorgen und ihre herzkranken Kinder zu bestärken. Dabei ist die Familie, in der ein Kind aufwächst, das wichtigste System, das ein Kind umgibt. Eltern, die es schaffen, für sich selbst in dieser schwierigen Zeit zu sorgen und die Hilfe und Unterstützung bekommen können, die sie brauchen, können so auch ihre Kinder positiv in ihrem Aufwachsen mit Herzfehler unterstützen. Die wichtigsten Punkte sind dabei folgende: Dass das Kind nicht sein Herzfehler ist. / Positive Eigenschaften des Kindes hervorheben. / Stärken des Kindes auf positive Art widerspiegeln.

Der Vortrag von dem kroatischen Kinderkardiologen Hrvoje Kniewald handelte von der Kommunikation zwischen Arzt und Patient – bzw. den Eltern der kleinen Patienten. Hierbei stand im Fokus, wie man schlechte Nachrichten möglichst gut überbringt. Für Eltern ist es nie leicht zu erfahren, dass ihr eigenes Kind einen angeborenen Herzfehler und  – wohlmöglich sogar mehrfach – am offenen Herzen operiert werden muss. Daher sind Empathie, Klarheit und Unterstützung in der Kommunikation mit Eltern von Kindern mit angeborenem Herzfehler enorm wichtig. Außerdem hilft es, den Herzfehler in möglichst einfachen Worten zu erklären und medizinsches Fachjargon zu vermeiden – z.B. „Loch im Herzen“ statt „Ventrikelseptumdefekt“. Des Weiteren ist es wichtig, die Behandlungsmöglichkeiten genau zu besprechen und zu erklären.
Abends ging es dann in ein Restaurant an der schönen Adria. Über den Abend verteilt gab es vier Gänge, und man hatte hier nun die Möglichkeit, in Ruhe zu quatschen und die anderen Teilnehmer besser kennenzulernen. Später an dem Abend wurde Prof. Edward Callus (Psychologe und Ausbilder für Psychotherapeuten, Fokus auf Patienten mit angeborenen Herzfehlern)mit dem ECHDO Fellow Award gehrt, um ihm für sein außergewöhnliches Engagement bei ECHDO zu danken. Dieser Ehrentitel wurde zum ersten Mal vergeben.

Vorträge am Samstag

Am Samstag (10. Mai) war dann der zweite Teil des ECHDO Meetings und die eigentliche Hauptversammlung. Am Beginn des Tages wurden die angestrebten Ziele von ECHDO für das kommende Jahr vorgestellt:

  • Stärken der Verbindungen innerhalb der Organisation
  • ECHDOs Position als international ernstzunehmende Organisation festige
  • Kreieren und starten einer Campagne

Des Weiteren wurde das Handbuch von ECHDO vorgestellt, in dem die Organisation mit Struktur und Rollenverteilung erklärt wird, und es gibt vier Komitees:

  • advocacy committee (Komitee für die Interessensvertretung (von CHD-Patienten und -Angehörigen)
  • events committee (Veranstaltungskomitee)
  • fundraising committee (Spendenerhebungskomitee)
  • scientific committee (Wissenschaftskomitee)

Dem folgte dann der erste Vortrag des Tages: Sebastian Kahnt (Geschäftsführer der BVHK) stellte den Bundesverband Herzkranke Kinder e.V. vor, der sich seit über 30 Jahren für herzkranke Kinder und deren Familien engagiert.  Als Dachverband vereint der BVHK deutschlandweit Vereine und Organisationen für  Patienten und Angehörige und hat ein großes Angebot um herzkranke Kinder und deren Familien zu unterstützen. Weitere Themen des BVHK sind unter anderem sozialrechtliche Unterstützung, Öffentlichkeitsarbeit zum Thema „Leben mit angeborenem Herzfehler“, Netzwerke bilden, Unterstützung kardiologischer und interdisziplinärer Wissenschaft in dem Bereich der angeborenen Herzfehler. Herr Kahnt stellte auch das Programm der AVATARe vor, mit denen Kinder, die einen längeren Krankenhausaufenthalt haben, trotzdem im Klassenzimmer dabei sein können – mithilfe des AVATARs. Der mit dem Internet verbundene AVATAR sitzt im Klassenraum und das Kind bekommt alles mit, was im Klassenraum geschieht und kann sich aktiv am Unterricht beteiligen.

Michelle Woods von der Somerville Foundation, UK, stellte die Entwicklung des Programms „Empowering Hearts and Minds – a Collaborative Approach to Mental Health and Well-Being“ vor (Herz und Geist bestärken: ein gemeinschaftlicher Denkansatz für mentale Gesundheit und Wohlsein). Auch wenn ein angeborener Herzfehler eine physische Erkrankung ist, ist der Einfluss, den dieser auf die mentale Gesundheit des Menschen hat, oft umso größer. Regelmäßige Kontrollbesuche bei Spezialisten bedeuten auch, dass man für immer Patient bleibt und man mit einer unheilbaren Krankheit lebt, was eine große mentale Belastung sein kann. Verschiedene Therapieansätze wie Mindfulness, Verhaltenstherapie oder Gestaltungstherapie fließen in dieses Programm mit ein.

Ian Mercieca Bons stellte im folgenden Vortrag Beating Hearts Malta vor. Dieser maltesische Verein für Erwachsene und Eltern unterstützt seine Mitglieder, fördert die öffentliche Wahrnehmung von angeborenen Herzfehlern und sammelt Spenden. Mit der Unterstützung dieser Spenden konnten in letzten Jahren einige neue Geräte für die Kinderkardiologie angeschafft werden, wie z.B. ein fetales Echokardiogramm, ein CPET-Gerät (CPET – Cardiolpulmonary Exercise Testing), ein Ultraschallgerät, ein Sauerstoffkonzentrator und weitere kleinere Equiomentteile. Auch Sponsorenschaften für die Weiterbildungskurse von kardiologischem Personal sowie kardiovaskuläre Forschung wurden von Beating Hearts Malta unterstützt. Auch Reisekosten für Patienten (sowohl Erwachsene als auch Kinder), die für Operationen oder andere kardiologische Eingriffe oder Untersuchungen ins Ausland mussten, wurden von Beating Hearts Malta mitfinanziert.

Als letzten Vortragenden hörten wir David Toms aus Norwegen vom  Verein „voksne med medfødt hjertefeil“ (Erwachsene mit angeborenem Herzfehler). Er berichtete über die Kampagne OPP OG STÅ (bedeutet in der Übersetzung in etwa so viel wie„Steh auf und bleib in Bewegung“), die der norwegische Verein ins Leben gerufen hat. Der Hintergrund dieser Kampagne ist, dass EMAH oft vorsichtig damit sind, sich ausreichend zu bewegen und Sport zu treiben. Jedoch ist Bewegung wichtig für Herz- und Kreislauf, auch um weitere Folgeprobleme möglichst zu minimieren. Die Kampagne lief vom 01.09.2024 bis zum 15.12.2024. Es haben insgesamt 202 Menschen Teilgenommen, die in dieser Zeit zusammen knapp 70 000 km zurückgelegt haben. Parallel wurden verschiedene Webinare zum Thema Herzfehler angeboten (z.B. Yoga,Sport mit AHF mit einem Kardiologen oder „Wie bereitet man sich am besten auf eine anstehende Operation vor“). Auch Prominente aus Norwegen  haben diese Aktion unterstützt.

Hauptversammlung der ECHDO und Workshop

Nun folgte die eigentliche Hauptversammlung der ECHDO. Diese war tatsächlich nicht sehr lang. Kurz und bündig wurde über einige Fragen, die die Organisation betreffen, abgestimmt.  Des Weiteren wurden drei neue Mitglieder (Katarina Stano, Tsvetoslav Naydenov und Michelle Woods)  in den Vorstand gewählt, da vier Vorstandsmitglieder den Vorstand aus persönlichen Gründen verlassen haben.

Zum Schluss der ECHDO Veranstaltung gab es noch einen Workshop. Der bestand darin, dass sich alle Anwesenden in vier Gruppen aufteilten und sich zu jeweils einem der oben genannten Komitees Gedanken machen. Ich bin in die Gruppe advocacy committee (Komitee für die Interessensvertretung (von CHD-Patienten und -Angehörigen) gegangen, und wir haben Ideen für die Kampagne gesammelt, die es im Herbst geben soll. Zu guter Letzt haben wir erfahren, dass wir mit dieser Gruppenaufteilung auch gleich Mitglieder der jeweiligen Komitees geworden sind. Nun bin ich also im advocacy committee der ECHO.

Nach einem interessanten aber leckerem Mittagessen (Black Risotto – komplett schwarz, da mit Sepia gefärbt) mit den anderen deutschsprachigen Teilnehmern habe ich mich dann am späten Nachmittag auf den Weg zurück zum Flughafen gemacht. Ich bin dann in den Abendstunden in den Sonnenuntergang hinein geflogen und hatte zum Abschluss nochmal einen wirklich traumhaften Ausblick auf Split.

Der europaweite Austausch ist wichtig – nicht nur für Ärzte

Da ECHDO eine Organisation ist, die viele verschiedene Vereine eint, gibt es auch viele verschiedene Interessen, die vertreten werden. Auf der einen Seite erschwert es ein wenig, ein klares Ziel der Organisation zu sehen, aber es spiegelt auch die Vielfalt und Komplexität der Thematik wider. Viele Menschen sind auf ganz unterschiedliche Art betroffen. Einige Länder brauchen mehr Behandlungsmöglichkeiten, um alle Kinder mit Herzfehler operieren/behandeln und weiter begleiten zu können. In anderen Ländern ist dies bereits möglich und die Überlegung, wie man einem Kind mit Herzfehlern das Leben erleichtern kann und wie man sie best möglich auch auf psychologischer Ebene unterstützt, hat mehr Raum. Dann gibt es wiederum Eltern und auch andere Angehörige, die durch den Herzfehler eines Kindes und alles, was dies mit sich bringt, betroffen sind. Sie alle brauchen auch Unterstützung und Verständnis, um mit dieser Situation umzugehen. Und dann gibt es noch uns – die ehemaligen Kinder, die groß werden durften, die durch die großartigen medizinischen Entwicklungen leben durften und nun Erwachsene mit angeborenem Herzfehler sind. Dadurch bringen wir nochmal einen ganz eigenen bunten Strauß mit den Dingen mit, die uns bewegen.. Ich empfand diesen Austausch auf europäischer Ebene und mit so vielen Menschen, die als Patient, Angehörige, Arzt oder Mitarbeiter eines Vereins von diesem Thema berührt werden, als unglaublich bereichernd. Es ist großartig, dass wir heute so viele Möglichkeiten haben, kleinen und großen Menschen mit angeborenen Herzfehlern zu helfen und uns international verknüpfen und austauschen zu können. HERZlichen Dank, dass ich uns bei der diesjährigen ECHDO in Split vertreten durfte.

Text und Bilder: Megan Schultz, ECHDO-Logo: ECHDO