Im Normalfall besteht zwischen Arzt und Patient eine lineare Beziehung, in welcher der Patient dem Arzt seine Willen direkt mitteilt. Ist man nicht mehr in der Lage seinen Willen selbst zu äußern, so ist für die weitere Behandlung der mutmaßliche Patientenwille entscheidend. In der Regel sucht der Arzt hierfür das Gespräch mit den Angehörigen. Die Angehörigen aber befinden sich in solchen Fällen auch selbst in einer Ausnahmesituation und sind daher vielleicht nicht in der Lage den Patientenwillen umzusetzen. Auch ist zu bedenken, dass uninformierte Angehörige oft zu der Annahme neigen der eigene Wille wäre auch der des Patienten. Eine Patientenverfügung kann in diesen Fällen Ärzte und Angehörige eine Hilfestellung sein in der über die eigenen Wertvorstellungen sowie die gewünschte medizinische Behandlung informiert wird. Betrifft dies lebensbeendende Maßnahmen kann eine Patientenverfügung den Angehörigen helfen sich später mögliche Gewissensbisse zu ersparen. Weitere Instrumente eigene Interessen zu wahren sind Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht. Für weitere Informationen möchte ich auf den juristischen Teil des Vortrags verwiesen. Im Folgenden sollen vor allem mögliche medizinische Fallstricke beim Abfassen einer Patientenverfügung beleuchtet werden.
Therapeutische Maßnahmen

Zunächst möchte ich Euch ein paar Feinheiten bei therapeutische Maßnahmen erläutern. Aus dem verständlichen Wunsch heraus nicht an Schläuchen hängen zu müssen tendieren viele Menschen dazu in einer Patientenverfügung intensivmedizinische Maßnahmen völlig auszuschließen. Allerdings fallen im weiteren Sinne auch relativ harmlose Maßnahmen wie ein Blasenkatheter oder eine Magensonde unter intensivmedizinische Maßnahmen.

Selbst bei der Beatmung zeigt sich, dass Beatmung nicht gleich Beatmung ist. Hier lässt sich grundsätzlich die kontrollierte von der unterstützten Beatmung unterscheiden. Zur Durchführung einer unterstützten Beatmung gibt es zahllose verschieden Verfahren. Ein häufig verwendetes schonendes Verfahren ist der „biphasic positiv airway preasure“, abgekürzt BiPAP. Beim BiPAP erkennt das Beatmungsgerät das Einatmen des Patienten und erhöht den Luftdruck um die Einatmung zu unterstützen. Anschließend erleichtert das Beatmungsgerät das Ausatmen durch einen erniedrigten Luftdruck. Oft sind am Beatmungsgerät Untergrenzen für Atemtiefe und Atemfrequenz eingestellt. Unterschreitet die Spontanatmung des Patienten diese Grenzen geht das Beatmungsgerät automatisch in die kontrollierte Beatmung über, bei der Atemtiefe und -frequenz vom Gerät vorgegeben werden. Es lassen sich außerdem invasive und nicht-invasive Beatmung unterscheiden. Die nicht invasive Beatmung wird mit einer Maske, die dem Patienten auf das Gesicht gesetzt wird, durchgeführt. Bei der invasiven Beatmung wird ein Teil des Beatmungssystems in den Patienten eingeführt, sei es ein Tubus, eine sogenannte Larynxmaske oder eine Kanüle durch einen „Luftröhrenschnitt“. Unterm Strich ist es zweifellos nicht sinnvoll von vornherein für alle möglichen Fälle jede Form der Beatmung auszuschließen.

Bei der Dialyse ist es ebenfalls wichtig Unterschiede im Detail zu kennen. Die Allermeisten denken bei Dialyse an Menschen, die „ein Leben lang an der Maschine hängen“ und durch diese Prozedur stark belastet werden. Jedoch gibt es bei der Dialyse gravierende Unterschiede hinsichtlich der notwendigen Dauer sowie Intensität mit der sie durchgeführt wird. Daneben gibt es aber auch eine Reihe von Krankheitsbildern, bei denen Dialyse lediglich wenige Tage, Wochen oder Monate notwendig ist. Auch ist es nicht immer nötig ein großes Blutvolumen zu reinigen, womit sich Nebenwirkungen reduzieren lassen. Viele Patienten auf Intensivstationen erhalten eine wenig intensive und wenig belastende Dialyse, die den Körper in schweren Zeiten ein wenig unterstützen soll. Es kann also nicht sinnvoll sein in einer Patientenverfügung jegliche Art Dialyse für alle möglichen Fälle auszuschließen
Als letztes Beispiel möchte ich auf das sogenannte „künstliche Koma“ eingehen, das in der medizinischen Fachsprache Analgo-Sedierung heißt. Ziel ist es dem Patienten starke Schmerzen zu nehmen und ihn von unangenehmen belastenden Reizen abzuschirmen. Hier kann man hinsichtlich Dauer und Tiefe unterscheiden. So sind Beruhigungsspritzen vor einem Schluckecho, einer Magenspiegelung oder Bronchoskopie bereits eine Form der Analgo-Sedierung. Ebenfalls kann ein anders nicht zu durchbrechender epileptischer oder asthmatischer Anfall, erhöhter Hirndruck sowie ein diabetisches Koma eine Analgo-Sedierung notwendig machen.

Krankheitsbilder

Im Folgenden möchte ich auf ein paar Krankheitsbilder hinweisen, die Gesunde wie Herzkranke gleichermaßen treffen können und Teile der oben beschriebenen Behandlungen notwendig machen.
Eine vorübergehende künstliche Beatmung kann beispielsweise notwendig werden falls man bei einem Wohnungsbrand Rauchgase einatmet oder auch als Komplikation einer Lungenentzündung. Beides sollte in aller Regel gut ausgehen, hängt letztendlich aber davon ab wie gesund man davor war.
Auch eine kleine OP wegen einer Blinddarmentzündung zieht einen Rattenschwanz an intensivmedizinischen Maßnahmen nach sich. Da die Bauchmuskulatur über Reflexe mit den Eingeweiden verbunden ist, führt der Operationsreiz zu einer sehr starken Bauchmuskelspannung. Um die Operation überhaupt durchführen zu können ist es notwendig medikamentös die gesamte Muskulatur des Patienten zu entspannen. Wenn der Patient keinen einzigen Muskel mehr bewegen kann ist es selbstverständlich nötig den Patienten künstlich zu beatmen. Um solch einen Zustand nicht wach und klar aushalten zu müssen sorgen Narkotika dafür, dass der Patient von der OP nichts mitbekommt. Jetzt ist es dem Patienten nicht mehr möglich seine Harnblase zu kontrollieren, so dass ein Blasenkatheter notwendig wird. Außerdem fehlen dem Patienten seine sogenannten Schutzreflexe, zu denen unter anderem der Würge-, Schluck- und Hustenreflex zählt. Um Erbrechen und die damit verbundene, gefürchtete Komplikation einer sogenannten Aspirationspneumonie zu verhindern, ist schließlich noch eine Magensonde nötig.

Ein weiteres Beispiel ist das Symptom des erhöhten Hirndrucks, der durch viele Erkrankungen hervorgerufen werden kann. Erhöhter Hirndruck entsteht z.B. durch eine Hirnblutung, die durch zu viel Markumar hervorgerufen werden kann. Umgekehrt kann zu wenig Markumar einen Schlaganfall verursachen, der durch ein Hirnödem ebenfalls den Hirndruck erhöht. Auch als Komplikation einer Hirnhautentzündung kann erhöhter Hirndruck entstehen. Mögliche Erreger einer Hirnhautentzündung sind das Herpesvirus, Windpockenvirus, durch einen Zeckenstich übertragene FSME-Viren oder Menigokokken, Pneumokokken und viele mehr. Der bildliche „Schlag auf den Kopf“, das Schädel-Hirn-Trauma kann ebenfalls zu erhöhtem Hirndruck führen. Zur Behandlung eines erhöhten Hirndrucks können künstliche Beatmung und Analgo-Sedierung notwendig werden.
Aber schon der einfache Wunsch wegen einer möglichen Querschnittslähmung nicht im Rollstuhl sitzen zu müssen kann im Detail kompliziert werden. Denn nicht jeder Querschnitt ist gleich. Nach einen unvollständigen Querschnitt können die Nervenfasern vom und zum Gehirn manchmal neue Wege finden. So bilden sich manchmal die Symptome einer Querschnittslähmung vollständig oder teilweise zurück.
Das sogenannte hämolytisch urämische Syndrom kann eine vorübergehende Dialyse notwendig machen. Auslöser sind besondere Darmkeime. 2011 gab es eine Epidemie mit über 700 bestätigen Erkrankungsfällen an Erwachsenen verursacht durch ägyptische Bockshornkleesamen.

Zusammenfassung Patientenverfügung

Die obigen Beispiele zeigen wie wichtig es ist eine Patientenverfügung sorgfältig zu verfassen, so dass man nicht versehentlich eine eigentlich gewünschte Therapie versehentlich ausschließt. Sinnvoll ist es daher sich im Vorfeld zu überlegen welche Situation es genau ist, in die man nie geraten möchte. Was genau ist die persönliche Horrorvorstellung, die nie wahr werden darf? Anschließend kann man seine Patientenverfügung auf genau diesen konkreten Fall beschränken. Es ist außerdem empfehlenswert einen Arzt zur Rate zu ziehen.
Betreuungsverfügung & Vorsorgevollmacht
Für die Fälle, die von der Patientenverfügung nicht abgedeckt werden sollte man die Patientenverfügung um eine Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung ergänzen. Wichtig dafür ist es rechtzeitig seinen Angehörigen ganz allgemein über die persönlichen Vorstellung und Werthaltungen zu sprechen. Vielleicht müssen am Ende sonst nicht oder schlecht informierte Angehörige auf Grund vager Vermutungen Entscheidungen über Therapien treffen.

Vorlagen und Infos zur  Patientenverfügung, zum Betreuungsrecht und zur Vorsorgevollmacht gibt es unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/patientenverfuegung

AK-Medizin.