Die Wirkung von Marcumar beruht darauf, die Produktion der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X in der Leber zu hemmen. Darüber hinaus hemmt Marcumar auch noch die Produktion weiterer Proteine, darunter die gerinnungshemmenden Proteine C und S. Bei Protein C und S handelt es sich also um die Gegenspieler der Gerinnungsfaktoren.

Vor kleinen Eingriffen oder großen Operationen müssen Marcumarpatienten ihre Antikoagulation auf Heparin umstellen (Bridging = Überbrücken). Wenn alles gut gegangen ist, kann anschließend die Einnahme von Marcumar wieder begonnen werden. In dem Moment in dem die Marcumareinnahme beginnt sind alle oben genannten Faktoren noch im Blut vorhanden. Es wird ja nur ihre Produktion gehemmt, sodass es eine gewisse Zeit dauert, bis sie aus dem Blut raus sind. Die Geschwindigkeit, mit der die Konzentration der gerinnungshemmenden und -fördernden Faktoren abnimmt, kann in Form der Halbwertszeit gemessen werden. Die kürzeste Halbwertszeit haben die gerinnungshemmenden Faktoren Protein C und S. Ihre Konzentration im Blut sinkt zu erst. Zur gleichen Zeit sind die Gerinnungsfaktoren noch in vergleichsweise hohen Konzentrationen im Blut. Deshalb ist die Blutgerinnung am Anfang der Marcumareinnahme gesteiert! Dieser Zustand stellt sich ungefähr nach einen Tag unter Marcumar ein. Die Gefahr von Thrombosen und Embolien ist jetzt erhöht! Es können z.B. die gefürchteten Hautnekrosen entstehen. Beim Bridging mit Heparin ist es also sehr wichtig jetzt immer noch dieselbe Menge Heparin zu spritzen. Auf keinen Fall darf die Heparinmenge jetzt schon reduziert werden. Auch eine zu hohe Marcumardosis beim Beginn der Marcumartherapie kann das Gleichgewicht zu stark in Richtung der Blutgerinnung verschieben. Mehr Tabletten einzunehmen als das bewährte Aufdosierungsschema 3 – 2 – 1 bzw. 2-2-1 vorsieht ist deshalb nicht sinnvoll.

Erst später, ungefähr am 2. Tag der Marcumareinnahme, sind weniger Gerinnungsfaktoren im Blut enthalten. Dies zeigt sich an einem nun steigenden INR. Die Gerinnungsfaktoren untereinander haben ebenfalls unterschiedliche lange Halbwertzeiten. So nimmt zuerst die Konzentration von Faktor VII ab, was sich am fallenden INR zeigt. Von den gehemmten Gerinnungsfaktoren hat Faktor II hat die längste Halbwertszeit und bleibt damit am längsten im Blut. Deshalb fällt der INR vom 2. auf den 3. Tag nochmal ab.

Aus dem oben genannten Gründen ist es ratsam innerhalb des eigenen therapeutischen INR Fensters zu bleiben. Patienten, die ihren INR „scharf“ an der unteren Grenze einstellen, pendeln ständig zwischen einer ungenügenden und gerade noch ausreichender Gerinnungshemmung hin und her. In dem Moment, in dem ein zu niedrigerer INR gemessen wird, erhöht der Patient seine Marcumardosis. Anschließend passiert das gleich wie oben beschrieben. Die gerinnungshemmenden Faktoren Protein C und Protein S verlieren zuerst ihre Wirkung. Es entsteht ein kurzes Zeitintervall mit einer gesteigerten Blutgerinnung, bevor die gerinnungshemmende Wirkung von Marcumar einsetzt. Bei der Kontrolle einen zu niedrigen INR zu haben, kann selbstverständlich ab und zu vorkommen. Wegen einer absichtlich gewollten scharfen Einstellung regelmäßig eine ungenügende Blutgerinnung zu haben, ist nicht sinnvoll!

Arbeitskreis Medizin

Quelle: vlg. Karow, T.: allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 23. Aufl,.